Da fußballerisch ja alles mindestens schon einmal an dieser Stelle gesagt wurde, und der Seniorenfußball so herrlich verlässlich in seinen Stereotypen und trivialen Wiederholungen ist, nutze ich die aktuelle Aufmerksamkeit und beleuchte einmal das herrliche Drumherum und die unterschwellige Philosophie, die der Amateurfußball ab 40 mit sich bringt.
Das Artefakt Norderstedt an sich ist sicherlich kein Ort, der sprichwörtlich eine Reise, einen Ausflug oder ein Gang vor die Tür wert ist. Hinzu gibt es unzählige Dinge, die man an einem Freitagabend sicherlich lieber machen würde, als zum Auswärtsspiel zum Glashütter SV zu eiern. Zum Beispiel das Altpapier aufbügeln, imaginäre Mixtapes aufnehmen oder den Taschenlampenakkus beim Laden zugucken. Aber man fährt natürlich dennoch und gerade dann, wenn man denkt, man hätte sich in der asphaltischen Lieblichkeit der arschgrauen Stadt aus dem Reagenzglas jetzt wirklich verfahren, genau dann ist man da.
Die sanitärhygienische Unterkunft der Glashüttener macht von außen einen recht soliden Eindruck und der feine Kunstrasenplatz erweckt gesteigertes Neidpotenzial, aber leider kann man nicht alles nachts mal eben schnell im Kofferraum „mitnehmen“.
Kommen wir zu den wirklich wichtigen Dingen - zum Kachelreport. An Hinweistafeln und Verbotsschildern mangelt es nicht, schließlich liegt auch Norderstedt immer noch in Deutschland. Schon am Eingang zum Sportplatz macht der Verein klar, was geht und was nicht. Schuhe mit Schraubstollen (gibt es meines Wissens nach im deutschen Sporthandel eh nicht mehr legal zu erwerben), Hackenschuhe (meine Oma (gestorben 2001) war die letzte lebende Person, die diesen Begriff gebrauchte), ein hochstieliges Weinglas, Kaugummi, ein Drecksköter und der manifestierte Ärger der idyllischen Sportplatzglückseligkeit, das BMX-Rad, haben an jener Stelle nüscht zu suchen. Als einzige aufgeführte Tätigkeit (und symbolisiert durch einen totbringenden Glimmstengel) ist das Rauchen untersagt. Na gut, so weit die Verbotsliste. Bis auf BMX-Räder hab ich aber alles das auf der Anlage gesehen und nicht geringe Teile der heimischen Schlachtenbummeler haben im Akkord gebarzt, als kriegten sie es bezahlt. Das Abbrennen von Pyrotechnik in griechischen Fußballstadien ist nichts dagegen. Und den letzten Rest haben der Bratwurst garende Wirt und seine Flakhelferin an der Wurstzange mit Ihrem auf höchster Zerstörungsstufe eingestellten Gasgrill erledigt, dessen Pinatubo-Rauchschwaden den gesamten Kreis Segeberg und Teil des nordwestlichen Hamburgs verlässlich bis kurz vor den Katastrophenalarm einnebelten.
Kommen wir zu den inneren Werten. Was für den Titan scheinbar ausreichte, ist für den Elmshorner Seniorenpodex nur recht. Praktisch, biedere Sitzbebankung in Kombination mit obig angebrachter Behakung, eingebettet in einem Rittersport Traubennussbraun. Die Fenster so groß wie Schießscharten und die Heizung bullerte gemütlich auf Stufe 5 vor sich hin. Das erfreute nicht nur das trübe Herz, sondern auch die kalten Nieren der Gästespieler, schließlich ist es Herbst geworden.
Was noch? Unbedingt zu erwähnen sind die massiven Trittschutzbleche an sämtlichen Kabinentüren, die selbst dem Auskeilen eines wild gewordenen Huftieres kratzerlos standhalten. Man kennt halt seine Pappenheimer und diese Installationen dienen weniger ärgerlichen Fußtritten nach zweistelligen Niederlagen, sondern eher der traurigen Tatsache, dass seit 2005 kein Jugendlicher mehr je eine Tür mit einem Betätigen der Klinke geschlossen hat, weil das Smartphone in der einen Hand und die Dose Red Bull in der anderen das nun mal naturbedingt nicht zulässt.
Die Duschen sind bis unter die Decke mit der Premiumfliese Bianca Dolores zugefliest und bieten sechs Sportsfreunden gleichzeitig die Möglichkeit den samtig perlenden Strahl aus den auf 2,75m angebrachten Spritzdüsen nach Kellinghusener Art auf die geschundenen Körper rieseln zu lassen. Ein Blick auf die Stirnseite der Nasszelle zeigt deutlich voran es mangelt, nämlich am fehlenden Spiegel. Wie bitteschön soll denn der eitle, proletengleiche Mittelfeldfatzke sein spärliches Resthaar mit miefender Frisiercreme oder mittels mitgebrachtem Heißluftfön kämmend in eine an George Michael oder den jungen Roland Kaiser angelehnte und beischlaffördernde Discomatte formatieren?
Und wenn wir schon bei den Defiziten sind. Einen Gartenschlauch (dem ultimativen Must Have im Amateurlager) suchte man auf dem gesamten Gelände vergebens. Selbst im üppig bestückten Ballraum nicht, wo teure Spiel- und Trainingsbälle in ausgedienten Kaninchenställen sicher weggeschlossen sind und unzählige Markierungshütchen und noch mehr Slalomstangen lagern, um ein hier niemals stattfindendes alpines Weltcuprennen ausreichend auszustatten.
Bei aller Einfachheit hat die Anlage in Glashütte dann doch noch eine Besonderheit zu bieten. Die manuelle Schuhreinigungsstation rechts neben dem Eingang zum Kabinenbereich, der sich übrigens optisch am Medizintrakt des alten Kreiswehrersatzamtes in Itzehoe orientiert, ist so in der Art und vor allem mit dem historischen Zinkeimer nur noch sehr vereinzelt im Amateurfußball zu finden. Schön, dass es so etwas noch gibt. Vor allem am Rande eines sauberen, erdlosen, grashalmbefreiten, ja beinahe medizinisch sterilen Kunstrasenplatzes. Nostalgie pur; wie die Blumenvase im VW Beetle. Schön anzusehen, aber vollkommen nutzlos.
Und abschließend kommen wir noch einmal zu einer sprachlichen Klugscheißerei, die aber sehr schön die gesellschaftlichen Gepflogenheiten und den sozialen Stand von Getränken im Drehzahlbereich darstellt. Dass das Mitbringen von Alkohol und Bier verboten ist, stellt sich mir die mehr als philosophische Frage, ob Alkohol kein Bier ist und Bier kein Alkohol. Schnaps ist zwar Schnaps und Bier mit Wein, das kann sein und es gibt kein Alkohol auf Hawaii und Bier ist ein Sanitäter in der Not, aber man muss ja nun nicht alles so bierernst sehen und man kann auch ohne Spaß Alkohol haben und wer sich umdreht oder lacht, hat für den Schaden nicht zu sorgen.
Kommen wir zum Urteil: Wer in Glashütte sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, doch wo Funktion zum Standard wird, da holt Barthel den Most. Man hat schon wesentlich schlechter geduscht. Es sind halt die Details, in denen der Teufel steckt.
Wertung: Sechs Wischmöpse
Ach ja, Fußball gespielt wurde auch (Einszueins) noch. Kurz vor dem Halbzeitpfiff schnibbelte Joel arglos eine Ecke direkt ins lange Eck. Soweit das Zählbare. Chancen hatten wir für ein Fünfzuznull, wobei uns ein erzieltes Tor dann kurz vor Feierabend noch aberkannt wurde. Der Ausgleich des Gegners war zugegeben fein anzuschauen, wie er von links in die Mitte zog und nach Robben-Manier die Kugel in den Winkel schoss.
Die älteren Patienten werden sich wohl noch an den Derby erinnern, diese kecke Stufenhecklimousine von Volkswagen. Die im Februar 1977 vorgestellte erste Version des Derby (Typ 86) glich bis zur B-Säule exakt seinem Schwestermodell, dem Polo. Anstatt des Schräghecks mit Heckklappe jedoch hatte die kleine Limousine einen für die Klasse recht großen Kofferraum mit normaler Kofferraumklappe. Wer wusste es nicht? Mit dem Derby führte Volkswagen nicht sein Faible für Namen aus dem Sektor Grassportarten fort - Polo, Golf, Caddy, Käfer – sondern lieferte das 40-PS-Monster auch in den sexy Trendfarben Erbsgrün, Rentnerbeige, Silbermetallic und Blödorange.
Der Derby ist aber auch bei Geschmacksverirrten und Leuten mit einem Hang zum Firlefanz ein beliebter Cocktail aus Bourbon, rotem Wermut, Orange Curacao und Limettensaft, an dem ich nicht einmal nippen würde, selbst wenn Isabell Werth oder Meredith Michaels-Beerbaum ihn mir in voller Montur und hoch zu Ross im eigenen Wohnzimmer servieren würden.
Und das Derby ist natürlich ein vielerorts verwendeter Begriff für Prüfungen und Wettbewerbe im Reitsport, zurückgehend auf das 1780 erstmals auf der Epsom-Downs-Rennbahn in England ausgetragene Pferderennen. Aber auch das wussten Sie ja sicherlich bereits.
Ach ja und apropos. Fußball gespielt wurde auch noch. Das Lokalderby der Ü40-Jugendlichen zwischen dem FC Elmshorn und der momentanen Übermannschaft der SV Lieth brachte für einen Abend eine Vielzahl von alten Kleppern, einstigen Rennpferden, erfahrenen Schlachtrössern und arbeitenden Ackergäulen zurück auf das Geläuf am Ramskamp. Die Erfahrung aus zigtausenden Ober-, Landes und Bezirksligaspielen auf beiden Seiten mündete in einem recht einseitigen Spiel, in denen ich meine goldwerte Erfahrung aus etwa 500 Kreisklassespielen nicht weiter gewinnbringend einbringen konnte.
Der Gast aus dem Wald ging als verdienter Sieger vom Platz und das Heimteam war mit der Nullvier-Niederlage noch gut bedient. Gegen die hohe Passsicherheit, technische Überlegenheit und taktisch-kluge Spiel- und Gegnerbeherrschung ist mit unseren einfachen Mitteln einfach nichts auszurichten. Eine Niederlage, die ich zumindest gut verwinden kann.
Und wie es sich für ein Lokalderby gehört, endete es auch im Lokal. Wo noch viel genippt und noch mehr vom Pferd erzählt wurde. Und, wenn ich richtig informiert bin, ist niemand mit dem Derby nach Hause gefahren.
Spieltag 3, 09. September 2018. Die Reise ins ach so beschauliche Seestermühe ist nicht nur kurz, sondern auch in hygienekultureller Hinsicht äußerst interessant. In Pupsweite zum nagelneuen Gemeindezentrum steht ein sportflankierendes Kleinod, wie es im gesamten Kreis Pinneberg nur noch ganz selten zu finden ist.
Grund genug den guten, alten Kachelreport noch einmal aus der Kollmaraner Mottenkiste zu holen und einen „Kachelreport – the total recall“ ins Netz zu ballern.
Die Gästekabine des TSV Seestermüher Marsch besticht durch seine stringente Beharrlichkeit längst vergessene Brauntöne (von bahamabeige über biberfarbend bis zu deponiebraun) der interessierten Nachwelt im Original zu erhalten. Die Fußbodenfliesen aus unter dem Elektronenmikroskop verdichtetem Zwergausternschalengranulat wird in deutschen Baumärkten so nicht mehr angeboten und existiert, wenn überhaupt, nur noch in kleinsten Restbeständen in Kellern deutscher Arbeitsämter und hessischer Oberschulen. Bei der Wandgestaltung haben sich die Seestermüher etwas Großartiges ausgedacht. Die ersten Dreifünftel bestehen aus wasserfestem, feuerresistentem und schusssicherem Kieler Hartschiefer, wie er oft in Wutzellen und Deeskalationsräumen sächsischer Kindergärten verbaut wird. Das übrige Zweifünftel deckt die gute, alte mit Alpinaweiß getünchte Raufasertapete ab. Wie so viele weltweit, ist auch dieser Raum nach oben hin von einer Decke begrenzt und zur Freude des Betrachters in Längsrichtung (andere Stimmen behaupten vehement es ist die Querrichtung) mit Kaltenkirchener Latschenkiefer restlos ausgetäfelt.
Eine nahezu umlaufende Bestuhlung (nur bei den Türöffnungen wurde praktischerweise ausgespart) bestehend aus Holzbänken erleichtert das Sitzen. Zweiter Vorteil: Selbst protzige Sporttaschen mit diversen Wechselschuhpaaren, mehreren Handtüchern und jedwedem anderen Firlefanz (wie Shampoo zum Beispiel) passt unter die Bänke. Zum ordentlichen Weghängen von Herrenoberbekleidung fungieren die unzähligen oberhalb der Sitzgelegenheiten angebrachten Wäschehaken aus industriefreundlichem Hartplastik. Für die letzten kosmetischen Korrekturen vorm Spiel - wer es denn nötig hat - gibt es einen Spiegel in Gesichtshöhe.
Es ist aber nicht alles Geld was glänzt. Ein schwaches Konglomerat aus fahlem Tageslicht und milchigem Neoröhrenschein erhellt den Raum nur minimal, aber wer sich jemals mit anderen Männern zusammen in einem Raum umgezogen hat, der weiß diesen Zustand durchaus sehr zu schätzen.
In einem angenehmen Schlachterweiß erstrahlt dafür die beheizte Nasszelle gleich im Raum nebenan. Der Duschstrahl ist angenehm und lässt sich wie Bachs Klavier wohl temperieren. Kein Grund zur Beanstandung, obwohl man sich an der ebenfalls verbauten Holzdecke dann doch recht schnell sattgesehen hat. Vergessen wir aber nicht, dass es sich hierbei um einen Monofunktionsraum handelt und an-die-Decke-starren ist nicht der beabsichtigte Zweck. Es gibt ein Handwaschbecken und für die menschlichen Grundbedürfnisse steht ein abschließbares WC mit Sitzbecken und Stehabschlagmöglichkeit parat. Was muss, das muss.
Freunde des Kachelreports wissen um die nötigen Standards so einer Kabinenkontrolle und ja - er ist da! Im Flur hängt der obligatorische Gartenschlauch für die saloppe Nassreinigung mit hartem Mittelstrahl. Aufgrund der weitläufigen Kabinenlandschaft vor Ort muss sogar mit mehreren Gardenakupplungen gearbeitet werden, um auch dort mit dem Strahl hinzukommen, wo zuvor noch nie ein Mensch gewesen ist.
Kommen wir zum Urteil: Wenn im Alltag Nostalgie sonst nur nervt, ist sie hier der Nachwelt dankenswerterweise erhalten geblieben. Spontanfeiern und gemütlich Versacken ist hier jedoch schwer möglich. Eine schwere, überdimensionale Holzkiste in der Tiefe des Raumes raubt jedwede Gemütlichkeit. Da wurde zwar praktisch gedacht, aber Lebensqualität nach dem Kick ist was anderes.
Wertung: Fünf Wischmöpse
Ach ja. Fußball gespielt wurde auch noch.
Morgenstund hat... Potenzial mich mal gepflegt am Arsch zu lecken. Anpfiff 10:00 Uhr, Treffen vor Ort 9:15 Uhr. Aufstehen um eine Zeit, die mein Sonntag sonst jahrelang nicht kannte. Willkommen in der E-Jugend.
Bis kurz vorm Halbzeitpfiff war das Spiel eine reine Geduldsprobe, bis wir unser Tor machten. Nach besten Möglichkeiten zuvor durch Artur und Raffa konnte ich so gegen halb elf eine Freistoßhereingabe von Claas circa zehn, zwölf Meter rechts vorm Tor stoppen und am auf der Linie festgedübelten Torwart der Gastgeber vorbei ins Tor schieben.
In Durchgang zwei war der Plan aufs zweite und dritte Tor zu gehen, doch sind wir immer noch wir und das Kreieren der eh schon seltenen Torchancen wurde durch verlässliches Vergeuden derselbigen gekrönt. Hinten wackelten wir dann auch noch so zweieinhalb Mal und fast hätten wir noch den Ausgleich kassiert, aber am Ende blieb alles schier und der Sonntag war gerettet.
Spieltag 2, 31. August 2018. Ich hätte es besser wissen müssen, doch diese adrenalinschwangere Bauchentscheidung setzte sich über den klaren Verstand, der im Fußball eh nichts zu suchen hat, deutlich hinweg.
In einer Phase des Spiels in der der Gegner sich erdreistete den Ein-Tore- Rückstand zu egalisieren, als also so etwas wie Hektik in der Serengeti aufkam, war ich schließlich emotional derart aufgewühlt, dass ich die guten Manieren für einen Moment ad absurdum legte und meinen Gegenspieler vom Ball trennte. Nicht ganz fair, aber nachhaltig.
Nun ist ein Foul ganz bestimmt nichts, wofür man sich schämen muss. Es gibt zwar Stimmen aus dem Off, die behaupten, dass das Foulen die Bankrotterklärung der persönlich spielerischen und körperlichen Voraussetzungen und des Talents darstellt; ich aber behaupte, dass es sich bei Fouls genau so verhält wie bei künstlichen Brüsten – sind sie gut gemacht ist, dann sind sie einfach schön anzusehen.
Man senst einen Gegenspieler also nicht einfach um, wie lästiges Unkraut. Man fällt ihn anständig wie eine alte Eiche, die einer Tankstelle weichen muss – also mit ordentlich' Wumms!
Im Vorfeld zu so einer Maßnahme gibt man sich komplett arglos und als katzenbabyaffiner Schöngeist mit soliden Heirats- und Mülltrennungsabsichten und wartet auf die richtige Gelegenheit. Sie wird kommen!
Dann tigert man irgendwann unvermittelt (auch für sich selbst) zügig von hinten an den - ganz wichtig – ballführenden (!) Delinquenten heran, und noch bevor seine Mannschaftskameraden den weitverbreiteten Schutzruf „Hintermann!“ absetzen können, landet man nach einem beidbeinigen Absprung in einer Art Kani-basami Beinschere kombiniert mit einer um fast 90° versetzten Telemarklandung an der ballzugewandten Körperseite des Gegenübers. Mit dem einen Fuß spitzelt man zumindest pro forma noch den Ball ins Seitenaus, das Knie des anderen Beins rammt Hämatom fördernd in die gegnerische Kniekehle und lädt den Sportsfreund somit höflich dazu ein der Schwerkraft zu erliegen und die mehr oder weniger harten Tatsachen namens Erdboden zu erleben, ohne sich dabei jedoch selbst wehzutun. Schlachtungserfahrene Könner des Fachs geben dem Fallobst noch schnell einen Bongo auf den Bizeps oder ziehen die schroffen Alustollen noch mal eben über die Wade. Aber nur, wenn noch Zeit ist. Getreu des ewigen Swingermottos „Alles kann, nichts muss...“
Nachdem man den Mann nun geerdet hat, distanziert man sich zügig, aber nicht hektisch vom Ort des Geschehens mit gleichgültigem Gesichtsausdruck und verschwindet im Rudel der Mitspieler. Falls notwendig mit der beschwichtigenden „Ball gespielt“-Geste (zur Erinnerung: beide Mittelfinger am ausgestreckten Arm dem sich im Erdgeschoss krümmenden Rollmops entgegenstrecken und „Schauspieler!“ zischeln oder so ähnlich). Und das ist nur die normale Ausführung, aber die Saison ist ja auch noch jung.
Ach ja. Fußball gespielt wurde auch noch.
Der Oberligaabsteiger von Astoria Waldenau Pinneberg hatte ganz genau betrachtet keine einzige Torchance. Eine unglückliche 68. Minute, in der wir ziemlich unkonzentriert durch die Gegend tölpelten, brachte den Kreisstädtern aber dennoch den mehr als unverdienten Ausgleich. Interimstorwart Michael Homburg war machtlos. Auf der anderen Seite (im wahrsten Sinne) vergeudeten wir beste Torchancen das Ergebnis rechtzeitig auf drei- bzw. viernull zu schrauben. So war es mal wieder Dr. Christian Moormann, der das einzige Tor für die Heimelf erzielte.
Irgendwie Am Ende waren zwei Punkte verloren, was deutlich auf die Stimmung drückte und erst nach ein paar geschmeidigen Weichmachern aus der braunen Glasflasche legte sich die Anspannung etwas. Dennoch: Scheiß Fußball!
Spieltag 1, 22. August 2018 - Und nicht besser kann man da die Saison mit einer Auswärtsfahrt an einem schnöden Mittwochabend in die Hauptstadt des Toastbrots („Harry, hol schon mal das Brot!“) beginnen. Willkommen in der lebenswerten - laut Selbstauskunft - Stadt Schenefeld. Und die Lieblichkeit Schenefelds lässt sich an ziemlich genau zwei Fakten festmachen.
Zum einen ist der berühmteste Schenefelder ein Mann, der seine Popularität dadurch bezieht, dass er nicht mehr in Schenefeld wohnt. Der durch die größtenteils inhaltsfreie Sendung „Goodbye Deutschland! Die Auswanderer“ bekannt gewordene Konrad „Konny“ Reimann hat sich seinen Lebenstraum erfüllt und kriegt den kleinen Hunger nun ganz gut bezahlt.
Zum anderen ist die funky Sexiness Schenefelds an der Fassade des Sportzentrums Achter de Weiden deutlich abzulesen, wenn nicht sogar spürbar. Zumindest ich war ganz kribbelig. Im coolen Siebzigerjahrer-Design und in den Derrickfarben Bahamabeige und Sandkastengelb erstrahlt die zum Weltkulturerbe erklärte Nordwand, vor der Libero und Vereinspräsident Michael Homburg eilig noch ein paar aufmunternde Grüße nach Hause schickt („Macht Euch keine Sorgen, es kann heute spät werden… Zwinkerfratze, Daumen hoch, Herzchen“).
Ach ja. Fußball gespielt wurde auch noch.
Nur so viel: Hätte ich das Spiel im Fernsehen gesehen, hätte ich nach zehn Minuten gelangweilt umgeschaltet und eine Panzerdoku auf N24 oder eine Indiana Jones Wiederholung auf Kabel geguckt. Es war wie beim Urologen – unspektakuläres Abtasten an den richtigen Stellen, ohne das was passiert. Die Blau-Weißen (nein, nicht die Schlümpfe) kamen zwei-, dreimal aussichtsreich vors Tor, wir im Gegenzug nur einmal aus Versehen und aus keiner Chance machte Dr. Moormann gleich das Einsnull. Er kann es halt!
In der zweiten Halbzeit wurde der Kick etwas flotter, weil durch nachlassende Kräfte nämlich leicht unruhiger, aber bis auf eine Hand voll ungenutzte Torchancen Schenefelds (davon eine für die Kuriositätensammlung: drei Torabschlüsse in handgestoppten zwei Sekunden) und zwei tölpelhaften Versemmelungen frei vorm Tor durch den Autor und „Fliege“ Leisner war nicht viel. Die beste Szene spielte sich bereits vor dem Anpfiff ab. Das faltenfreie Mannschaftsfoto in der neuen Montur (Danke Claas Wehner Hyundai Automobile, Angelzubehör und Thaimassage) zauberte auch dem Griesgrämigsten aus der Reisegesellschaft ein Lächeln auf die Lippen. Sie dürfen ruhig raten, wer das wohl war. Goodbye Schenefeld!